Die Dienstags-Fitness-Frauen von Marlies Dunkel fanden heraus, warum Hammersfeld Hammersfeld und Schmerfeld Schmerfeld heißen.
Vielleicht klang ja das Lied „Wer turnt, hat mehr vom Leben“ fröhlich im Hinterkopf, als sich der Gedanke breit machte: Wir wandern auch. Angeführt hat die sportlichen MTV-Dienstags-Damen ausnahmsweise nicht Marlies Dunkel. Kerstin Schreier nahm alle, die an einem sonnigen Junisamstag Zeit hatten, mit auf ihre Lieblingsrunde vom Schwimmbad in Plaue durch die Reinsberge bis nach Kleinbreitenbach.
Der Vereinsbus sammelte die Wandersfrauen minutengenau in Erfurt ein. Vitaminreich war die Stärkung am Start. Dann ginges steil bergan und von einem Fotopunkt zum nächsten. Zu sehr staunten alle über die unglaublichen Ausblicke ins Tal. Es sah ganz danach aus, als würde die Gruppe trotz der überschaubaren, ungefähr zwölf Kilometer nicht vor Sonnenuntergang wieder zurück sein. Das angepasste Tempo, bei Blindschleichen auf dem Weg, noch nicht mal eingerechnet.
Da ersannen Birgit Schindler und Marlies Dunkel eine List, die locker ganze Schulklassen auf Trab halten könnte. Jede der neun Wanderinnen bekam eine Entdeckeraufgabe im Vorbeigehen. Schon trödelte niemand mehr. Das Hinweisschild „Wanderweg von Bach zu Goethe“ animierte zusätzlich. Die Natur lockte. Sie bekam gelegte Kunstwerke aus stacheligem, braunfarbenem, verwelktem, blühendem und auch unnatürlichem auf den Waldboden geschenkt, natürlich in einen schmückenden Rahmen aus Zweigen, Rinde und kurzen Ästen. Nur die ersten Walderdbeeren blieben nicht zurück, die wurden genascht.
Das Bild entstand zur Mittagszeit direkt neben dem Rastplatz der Reinsburg auf rund 600 Metern über dem Meeresspiegel. Ausgerechnet hier, beim Verschnaufen und einem reich gedeckten Picknicktisch mit Crackern, Blätterteighäppchen, Gurken, Tomaten, Hefeteigschnecken, Dip, Melone und Schokolade wurde allen klar, dass sie in Lebensgefahr sein könnten. Es könnten sie der mächtige Streithammer oder gar ein Schlammklumpen treffen. Furchtlos aber behaupten sie nicht nur den Rastplatz. Sie waren neugierig auf die Sage zur Reinsburg, wonach ein Riese an diesem Ort mit einem Riesen auf dem Singer Berg in einer immerwährenden Fehde lebte. Und als wäre es nur ein Spaß, warf der Riese von der Reinsburg einen bestimmt tonnenschweren Streithammer Richtung Singer Berg. Die Antwort war ein großer Klumpen Schmer, also Schlamm oder vielleicht auch Schmalz. Die Riesen überlebten auch. Sie waren nicht einmal verletzt und schenkten nebenbei zwei Orten ihren Namen, die es bis auf den Tag gibt. Die Stelle, an der der Streithammer auf die Erde krachte, heißt Hammersfeld. Da, wo der Schmerklumpen aufklatschte, wurde später Schmerfeld gegründet.
Nun ist auch der Wissensdurst gestillt. Die Wanderroute wurdedeswegen nicht geändert. Kerstin Schreier navigierte die Gruppe unbeirrt auf den breiten und schmalen Wegen, über Stock und Stein und durch kniehohes Gras Richtung Kleinbreitenbach. An einer Lichtung wartete auf dem Waldboden ein Blumenmeer. Hier blühte der gelbe Frauenschuh, als wäre diese Pracht ganz selbstverständlich. Der Naturschutzbund nennt den Frauenschuh die schönste wilde Orchidee Deutschlands, die es leider nur noch sehr selten gibt.
Im Staunen stellte sich leise die Frage: Worüber sollte man nach diesem Eindruck noch staunen können? Die Antwort kam einige hundert Meter weiter.
Da begann der Kunstwanderweg von Kleinbreitenbach. Metallskulpturen warteten im saftigen Grün, bemalte Vögel grüßten aus den Ästen, nicht zu reden von einem Geiger, ebenfalls aus Metall, der sehr lebendig wirkte.
Im Café Landart gab es nicht allein Torte und Kuchen und einen Humpen Zitronenlimonade, spendiert vom MTV. Inhaberin Almut Keil ist sozusagen die Mutter des Kunstwanderweges. Sie hatte Zeit und erzählte von den Wochen, in denen der Hauch der großen weiten Welt durch Kleinbreitenbach wehte und zurückblieb mit den Werken, die Künstler von fast allen Kontinenten schufen. Almut Keil hat sie in ihrer Arbeit für die Volkshochschule, vor allem aber mit Kunstverstand und aus tiefstem Herzen an diesen Ort gebracht und hier die künstlerische Arbeit möglich gemacht. Direkt am Café steht als edle Plastik ein DDR-Moped voller glitzernder Mosaiksteine.
Die Rückfahrt fiel dann etwas schweigsamer aus, als die Hinfahrt. Die vielen Eindrücke, die vielen Gedanke wollten verarbeitet werden. An den vielen Schritten dieses Tages konnte es ja nicht gelegen haben.
Ute Rang